Unterricht im Zeitalter der Digitalität

Die Welt befindet sich im stetigen Wandel. Digitalisierung und Globalisierung machen auch vor Schule nicht Halt, gesellschaftliche Umwälzungseffekte stellen uns alle vor ganz neue, auch ständig wechselnde Herausforderungen. 
Jugendliche Sozialisation und eine veränderte Arbeitswelt (Stichwort „Industrie 4.0“) werfen immer neue Fragen auf, die nur in Teilen durch das System Schule beantwortet werden können. 

I. Digitalisierung first - Bedenken second?

Das Thema der Digitalisierung deutscher Schulen hat sich (durch Digitalpakt und Coronapandemie) zu einem Dauerbrenner in der medialen Öffentlichkeit entwickelt. Schaut man jedoch genauer hin, so stellt man häufig fest, dass es sich bei den der Thematik anschließenden Debatten häufig um technikdeterministische Diskurse handelt, die sich fast ausschließlich mit der technischen Ausstattung an Schulen beschäftigen und implizit davon ausgehen, dass sich Arbeitsweisen und Lernprozesse automatisch an die sich veränderten technischen Gegebenheiten anpassen.

Dass dem nicht so ist, zeigt uns nicht zuletzt die internationale Vergleichsstudie ICILS (International Computer and Information Literacy Study), welche im Fünfjahres-Turnus die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schüler:innen der Klassenstufe 8 erfasst. Sowohl 2013 als auch 2018 musste festgestellt werden, dass es in Deutschland (im Gegensatz zu den meisten anderen ICILS-Teilnehmerländern) zu einem negativen Zusammenhang zwischen Kompetenzerwerb und Nutzungshäufigkeit digitaler Medien für schulische Zwecke kommt.

Daraus kann geschlossen werden, dass die technischen Mittel unserer Zeit auch einer entsprechend zeitgemäßen Didaktik und Methodik bedürfen. Eine Neugestaltung der Lehr- und Lernprozesse zur sinnvollen Einbindung digitaler Lernumgebungen, wie sie bereits 2016 von der Kultusministerkonferenz gefordert wurde, scheint daher unumgänglich.

II. Digitalisierung und Digitalität

Einen guten Ansatz bietet die Unterscheidung zwischen dem technischen Begriff der Digitalisierung und dem kulturellen Begriff der Digitalität. Die Abbildung von Beat Döbeli Honneger (http://blog.doebe.li/Blog/DigitalisierungDigitalitaetUndCo) zeigt dies anschaulich. 

Die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung haben vieles vereinfacht. Das selbstständige Erarbeiten von Lerninhalten geht mit hybriden Lernplänen (Erklärvideos, digitale Übungsaufgaben, kollaborative Arbeitstools, digitale Reflexionstools) sehr viel leichter von der Hand, asynchrones Lernen an verschiedenen Orten ist einfacher zu organisieren. Zudem können durch intelligente, kreative Lernprodukte Leistungen valider gemessen und Lernentwicklungen besser diagnostiziert werden. 

Neben diesen technischen Vereinfachungen spielt aber auch die Lebensrealität der Lernenden eine große Rolle. Unsere Jugend wächst in einer Kultur der Digitalität heran. Diese ist divers, komplex und kaum überschaubar. Doch welche Fähigkeiten brauchen Menschen in Vorbereitung auf eine Welt, die sich durch ihre Schnelllebigkeit und den damit einhergehenden Kontrollverlust auszeichnet, um weiterhin partizipieren und an Gesellschaft teilhaben zu können?

III. Digitalisierung und Digitalität

Unter dieser Fragestellung beschäftigten sich im letzten Jahrzehnt verschiedene Studien zu den sogenannten „21st century skills“ (exemplarisch erwähnt seien hier der Digital Competence Framework 2.0 der Europäischen Kommission und der Lernkompass 2030 der OECD). Im deutschsprachigen Bildungsdiskurs erlangte hierdurch das insbesondere in den USA weit verbreitete 4K-Modell große Bekanntheit. 

Bei den 4Ks handelt es sich hierbei um überfachliche Kompetenzen, welche den Rahmen für den Umgang mit Wissen und Lernen in einer Kultur der Digitalität bilden und damit als Orientierungspunkt für eine zeitgemäße Didaktik genutzt werden können. 
Statt einfaches Wissen abrufen zu müssen, werden Menschen in der Zukunft immer mehr komplexe Prozesse verstehen und sich selbstständig auf veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen einlassen müssen. Hierbei werden die sogenannten 21st Century Skills eine immer größere Bedeutung erlangen.

IV. "Lernen ist der Beruf der Zukunft"

Eine der entscheidenden Fähigkeiten der Zukunft wird es dabei sein, selbstständig lernen zu können. Entsprechend muss es ein großes Anliegen von Schule sein, die Selbstständigkeit der Schüler:innen zu fördern, Grundlagen für das lebenslange Lernen zu schaffen und sie frei nach dem Zitat „Lernen ist der Beruf der Zukunft“ (Andreas Schleicher, OECD) als sehr gute Lerner aus unseren Systemen zu entlassen.

V. Fazit und Ausblick

Selbstverständlich ist für zeitgemäßen Unterricht ein Mindestmaß an technischer medialer/digitaler Ausstattung notwendig. So ist die schnelle Anbindung an das Netz mit allen in der Schulen nutzbaren digitalen Endgeräten, die WLAN-Nutzung, Grundvoraussetzung gelingender Praxis. Auf der anderen Seite ist Unterricht nicht automatisch zeitgemäß oder gelungen, sobald er sich online abbildet.
Für den gelungenen Einsatz digitaler Medien und Netzwerke für den Unterricht bedarf es eines stimmigen pädagogischen Konzepts, welches auf die notwendige Infrastruktur aufbauend eben diese (Schlüssel-)Kompetenzen fördert, die die Schüler:innen für zukünftige Herausforderungen fit macht.
Eine zuverlässige, potente und flächendeckende Netzinfrastruktur in den Schulen bildet hierfür den Grundstein pädagogischen Handelns. Das Konzept für den sinnvollen Einsatz muss vor Ort in den Bildungseinrichtungen ausgestaltet werden. Dieser Leitfaden „WLAN-Konzept“ will hierfür einen Beitrag leisten.

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